Colin McRae Dirt 2 im Langstreckentest
Gut ein Jahr ist es her seit dem der siebte Teil der erfolgreichen Rallyespielserie von Codemasters erschienen ist. Mehr als 1600 staubige Kilometer, 217 hart erkämpfte Siege und um die 90 schmerzlichen Totalschäden später gibt es jetzt ein abschließendes Fazit zum Matschraser von der Insel.
Was einem bei Dirt 2 sofort förmlich ins Auge springt ist die großartige Grafik. Und die ist auch nach gut einem Jahr weder verstaubt noch eingerostet. Selbst in DirectX 9(in dem der Test stattfand) sieht das Spiel immer noch um Meilen besser aus als so manch anderes Spiele aus dem Jahr 2010. Was Codemasters aus seiner Ego Engine rausgeholt ist milde ausgedrückt begeisternd. Scharfe Texturen, wo das Auge hinsieht, eine Umgebung, die selbst bei Laien für einige herunterklappende Kinnladen sorgen drüfte, zusätzlich Partikel- und Beleuchtungseffekte, die fast schon fotorealistisch wirken, und nicht zuletzt natürlich die Stars des Spiels, die fahrbaren Untersätze, die vor Detailreichtum nur so strotzen und sich nur noch schwer von ihren realen Vorbildern unterscheiden lassen. Besitzer von Windows 7 oder Vista und einer DirectX 11 Grafikkarte dürfen sich zusätzlich dazu noch an Optikleckerbissen wie etwa Tesselation und eine nochmals verbesserte Beleuchtung erfreuen. Bei aller Schönheit hält sich Dirt 2 im Gegensatz zu seinen Vorgänger was den Hardwarehunger betrifft erfreulicherweise angenehm zurück: Auf dem Testsystem mit einem Intel Core 2 Duo mit 1,8 Gigaherz, 3 Gigabyte Ram und einer ATI Radeon 4850 lief das Spiel auf Windows XP bei einer Auflösung von 1680x1050 und maximalen (DirectX 9) Details mit aktivierter vierfacher Kantenglättung und 16fachen anisotropischen Filter stets flüssig und blieb selbst in der wildesten Passagen über der 25 Bilder pro Sekunde-Schmerzgrenzen.
Apropos wilde Passagen: Die hat es in Dirt 2 zu Hauf. Das allerdings im positiven Sinne. Denn genauso wie die optische Aufbereitung rangiert das Streckendesign bei Dirt 2 auf einem unbeschreiblich hohen Niveau. Egal, ob man im den tropischen Regenwald von Malaysia durch Wasserpfützen pflügt, in Kroatien bei strahlendem Sonnenschein enge Schotterserpentinen hinunterjagd, sich im lahmgelegten Battersea Kraftwerk in London unter einem Feuerwerk mit anderen Rallyefahrern misst oder in Utha mit über 200 Sachen durchs Monument Valley brettert, immer ist die Streckenführung perfekt durchdacht und ergibt so einen wunderbaren Fahrfluss. Hier sorgen keine unmotiviert eingebauten Schikanen oder Haarnadeln für Frust. Neben den oben erwähnten Regionen schickt einen Codemasters im Laufe der Kampagne noch nach Los Angeles, Baja California, Tokio und Marokko. Das mag sich oberflächlich nach einem umfangreichen Rallyespaß anhören, entpuppt sich allerdings relativ schnell als eine der großen Schwachstellen von Dirt 2. Denn in jeder Region gibt es nur zwei bis drei verschiedene Varianten des gleichen Kurses, bei einigen ergänzt vielleicht noch die eine oder andere zusätzliche Strecke das Angebot. Trotz alledem wird es vor allem im späteren Verlauf der Kampagne schnell langweilig, weil sich die Kurse dann doch unangenehm oft wiederholen.
Ansonsten macht Dirt 2 mit seiner Karriere allerdings kaum etwas falsch. Die ist ähnlich wie schon in Grid halblinear aufgebaut. Die Pyramide aus dem Vorgänger gehört somit der Vergangenheit an. Mit Erfolgen werden nach und nach neue Events freigeschaltet. Diese bestehen meist aus zwei bis drei Rennen der jeweiligen Klasse in einer Region. Zusätzlich bietet sich im späteren Spielverlauf auch noch die Möglichkeit an den so genannten World Tours, Events bei denen sie um den halben Globus geschickt werden, teilzunehmen. Auch die berühmten X Games haben es ins Spiel geschafft. Neu dazugekommen ist im Gegensatz zum Straßenpendant ein äußerst motivierendes Levelsystem. Der Spieler so wird von Anfang an bei der Stange gehalten, wenn auf ihn nach jeden bestrittenen Rennen Belohnungen in Form von neuen Autos, Lackierungen und netten Gimmicks wie etwa eine Overlord-Figur fürs Cockpit einprasseln.
Was Dirt 2 allerdings fehlt ist ein Management Teil á la Grid. Zwar vergrößert man mit der Zeit seinen Fuhrpark, weitere Aspekte wie etwa die Suche nach Sponsoren, selbstgestaltete Lacke oder das Einstellen von Teamkollegen gibt es bei Dirt 2 leider nicht. Auch mit dem Tuning hält sich Codemasters zurück. Bis auf ein paar vorgefertigte Lackierungen bietet das Spiel keine Möglichkeit die Boliden zu modifizieren. Auch etwaiges Leistungstuning sucht man vergeblich.
War der erste Teil der Dirt-Reihe für manch einen eingefleischten Rallyefan schon eine weniger angenehme Angelegenheit, geht der zweite Teil noch mehr weg vom alleinigen Kampf gegen die Uhr hin zu Events bei denen man mit Kontrahenten auf der Strecke direkt um Platzierungen kämpft. Fans der klassischen Rallyes wird das vielleicht sauer aufstoßen, alle anderen freuen sich über die actionreichen Rennen in jeder der Disziplinen. Denn hinsichtlich der Abwechslung bei den Events hat Codemaster ein wahrlich riesiges Angebot zur Verfügung gestellt. Neu im Gegensatz zum 2006 erschienenen Vorgänger sind die Modi Landrush, Gate Crasher und Trailblazer. Letzteres schickt den Spieler ähnlich der Bergrennen aus dem ersten Teil auf lange und schnelle Etappen, bei denen aufgrund der hohen Geschwindigkeit höchste Konzentration gefordert ist. Gate Crasher kann man ohne Bedenken in die Schublade Funmodus stecken. Hier muss der Spieler auf normalen Rallyestages gegen einen unbarmherzigen Countdown ankämpfen in dem er auf der Strecke verteilte Schaumstofftore umfährt. Landrush schließlich wartet mit breiten mit Schanzen gespickten Runkursen auf, auf denen man mit Buggys gegen nicht gerade zurückhaltende Gegner antritt.
Allgemein sind die K.I. Kontrahenten gehobener Durchschnitt. Sie machen nachvollziehbare Fehler beharken den Spieler und bleibt dabei dennoch meist fair Weiterhin besitzen verschiedene Fahrer besitzen unterschiedliche Charakteristika. So fährt der eine aggressiver als der andere, worauf sich der Spieler einstellen muss. Störend ist allerdings das mitunter vorkommende Pulkfahren.
Aber zurück zu den Rennmodi: Aus dem ersten Teil bekannt sind schon Rallyecross und Raid. Ungeliebte Modi wie Crossover gibt es nicht mehr. Und auch wenn sie nicht mehr den alleinigen Unterhaltungsfaktor von Dirt 2 darstellen, machen die klassischen Rallyestages immer noch einen großen Teil des Spiels aus. Als ein großes Atmosphäreplus erweisen sich hier die neuen versetzten Starts. Wie in der Realität wird der Spieler nicht allein von A nach B geschickt sondern startet in bestimmten Zeitabständen. So kann es vorkommen, dass man es im Falle eines Unfalls auf der Strecke mit einem auflaufenden Gegner zu tun bekommt.
Jegliche Totalschäden lassen sich allerdings meist mit der aus Grid bekannten Rückspulfunktion vermeiden. Hat man den Wagen einmal gegen einen Baum gesetzt, so kann man problemlos den letzten Zeitabschnitt zurückspulen und somit die Kurve nochmals geschickter anfahren und so die Etappe perfekt meistern. Dies erweist sich schon genauso wie in Grid als richtiggehende Freude für den Fahrer. Frust gehört somit der Vergangenheit an.
Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Rückblenden wird vom Schwierigkeitsgrad bestimmt. Davon bietet Codemasters satte fünf Stück, was sowohl Einsteiger als auch Profis den richtigen Anspruch bietet. Blutige Anfänger könnten allerdings Probleme haben sich durchzusetzen. Profis und Amateure zugleich sollten auch am perfekt zwischen Simulation und Arcade rangierenden Fahrverhalten der Boliden Gefallen finden. Zwar kommt dieses nicht an auf Teufel komm raus auf Realismus getrimmte Titel wie ein GTR oder das schon etwas ältere Richard Burns Rallye heran, allzu gewagte Lenkmanöver werden allerdings genauso wie ein zu forscher Umgang mit dem Gas- und Bremspedal höchstens durch einen Ausflug ins örtliche Gebüsch belohnt. Ein sowohl optisch als auch technisch ansprechendes - wenn auch natürlich nicht allzu realistisches - Schadensmodell rundet den Eindruck ab. Need for Speed Enthusiasten, die gerne Vollgas um jede Kurve rasen, werden sich also ein wenig in Zurückhaltung üben müssen. Dennoch steht wie beim gesamten Spiel auch hier eher die Action als eine präzise Simulation im Vordergrund. Sowohl mit der Tastatur als auch mit einem Xbox 360 Gamepad geht die Steuerung leicht von der Hand. Empfehlenswert ist allerdings trotzdem Letzteres.
Auch die allgemeine Inszenierung von Colin McRae Dirt 2 braucht sich nicht zu verstecken. Vor allem das schmucke Hauptmenü, das sich in dem Wohnwagen des vom Spieler kontrollierten Rallyefahrers befindet. Auf einer mit Kaffeeflecken bekleckerten Weltkarte wählt der Spieler neue Events aus, am Schreibtisch befinden sich die Statistiken und an der Pinnwand kann man in den Multiplayer starten. Wenn man den Wohnwagen verlässt, findet man sich in der jeweiligen zuletzt befahrenen Region wieder und darf sein Auto und die Umgebung bewundern. Auch die Events sind superb in Szene: Bei der Zieldruchfahrt knallen Konfettikanonen und wärem dem Rennen sorgen die 3-D-Zuschauer für richtig Stimmung. Dazu ertönt noch ein energetischer Indie-Rock/Punk Soundtrack (Rise Against, Bloc Party und The Progidy, nur mal um ein Paar prominente Namen zu nennen). Der macht die sowieso kurzen Ladezeiten zu einer wahren Freude, zumal auch lustige bis interessante Statistiken eingeblendet werden.
Genauso wie schon bei der Grafik befindet sich Dirt 2 auch im Bezug auf den Sound weit über dem Genrestandart. Egal ob klirrende Autoscheiben, röhrende Motoren oder quietschende Reifen; es tönt ein stets perfekt abgemischter Soroundsound aus den heimischen Boxen. Ein technisches K.O. kann Dirt also schon mal nicht erleiden. Aber auch in allen Belangen ist der aktuelle Ableger der Dirt-Serie der König im Ring der Offroadrennspiele.
Meinung: "Dirt 2 ist eine wahre Offenbarung für jeden Rennspielfan. Was Codemasters hier auf die Beine gestellt ist eine mehr als würdige Verneigung vor dem 2007 bei einem Hubschrauberunfall tödlich verunglückten Colin McRae. Zwar wird hier weniger Wert auf seine Musterdisziplin, die Rallye, gelegt, mich persönlich hat das allerdings nicht gestört. Auch die anderen vergleichbar kleinen Macken kann man gerne vernachlässigt. Was mir einzig und allein sauer aufgestoßen ist, ist die relativ kleine Streckenauswahl. Ansonsten macht Codemasters nach meinem persönlichen Geschmack alles richtig. Für alle Spieler, die auch nur annäherungsweise etwas mit Rennspielen am Hut haben, ist das Spiel eine eindeutige Kaufempfehlung. Zumal es den Titel mittlerweile für geschenkte 10 € gibt. Und wem Dirt 2 dann gefällt, der kann sich schon auf den Nachfolger freuen. Denn der ist für das 2.Quartal 2011 angekündigt. Man kann gespannt sein, auch wenn ich nach F1 2010, Dirt und Grid echt Vertrauen in die Jungs aus Großbritannien habe."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen