Gute acht Jahre hat Mafia schon auf dem Buckel. Ob das Spiel, das 2010 erfolgreich fortgesetzt wurde immer noch "ein Angebot ist, das man nicht ablehnen kann" zeigt sich im Test.
Kurz gesagt: Ja!. Aber "Mafia" plagen auch einige unschöne Macken, die heute wie damals nicht wirklich zum Spielspaß beitragen. Trotzdem ist das Spiel summa summarum ein Meilenstein der Videospiel-Geschichte, was vor allem an der herausragenden Story und deren genialer Inszenierung liegt.
"Mafia" erzählt seine filmreife Geschichte grundsätzlich in Rückblenden. Der vom Spieler kontrollierte Tommy Angelo hat genug: Er möchte dem dreckigen Gangstergeschäft entfliehen. Deshalb trifft er sich in einer Bar mit Detective Norman, dem er seine Kronzeugendienste im Gegenzug für Straffreiheit und eine neue Identität anbietet. Während des Gesprächs schlüpft der Spieler in die Rolle von Angelo und erlebt seine über mehrere Jahre verteilten Erfahrungen als Mafiosi in der (fiktiven) 30er-Jahre Metropole "Lost Heaven": Anfangs ist Tommy noch gar kein anzugtragender, baseballschwingender Mafiosi. Erst als er von zwei Mitgliedern des Salieri-Clans gezwungen wird als Fluchtfahrer einzuspringen, gerät er zwischen die Fronten eines Bandenk riegs gegen die rivalisierenden Morellos. Allzu viel soll an dieser Stelle nicht zur hochspannenden Handlung verraten werden, nur dass Tommy während seines Aufstiegs innerhalb der Familie an seinem neuen Job zu zweifeln beginnt und so beim Kaffeeklatsch mit dem Detective endet.
Vorangetrieben wird die Geschichte durch häufige Zwischensequenzen, die immer noch zum Besten gehören, was der Spielemarkt zu bieten hat. Die Cutscenes sind durchweg perfekt inszeniert und glänzen durch eine fantastische Kameraarbeit und ein großartiges Timing, das nicht selten für Gänsehautgefühl sorgt.
Auch außerhalb der Filmsequenzen bietet "Mafia" Unterhaltung auf höchstem Niveau. In Sachen Abwechslung gibt es die volle Palette: Von der Schutzgelderpressung über Verfolgungsjagden bis hin zu Auftragsmorden ist alles dabei. Und auch ein in der Branche obligatorischer Banküberfall darf natürlich nicht fehlen.
Ausgangspunkt fast aller Missionen ist die Salieri Bar, das Hauptquartier des namensgebenden Paten. Hier haust unter anderem Ralphie, Autoexperte der Familie, bei dem man seine fahrbaren Untersätze in Sicherheit wähnen kann, und Vincenzo, der den Spieler im Laufe des Spiels mit nötigem Kampfgerät ausrüstet. Da reicht die Bandbreite vom nostalgischen Baseballschläger über etliche Pistolen, Scharfschützengewehre und (abgesägten) Schrotflinten bis hin zur legendären Tommy Gun.
Technische Wunder darf man aber nicht erwarten, denn man befindet sich ja in den 30er Jahren. Das Selbe gilt selbstverständlich auch für die Fahrzeuge. Zu Anfang der Kampagne kann es schon mal vorkommen, dass der fahrbare Untersatz an mancher Steigung hängen bleibt, sollte man nicht vorher genug Schwung aufgebaut haben. Dann ist umdrehen und noch mal Schwung holen angesagt. Auch die Waffen verhalten sich relativ realistisch. So führt stures Dauerfeuer mit der Thompson etwa nur dazu, dass das Gewehr nach einer längeren Salve gen Himmel zeigt.
Die streng linear hintereinander ablaufenden Missionen sind quer über Lost Heaven verteilt und bieten, wie schon erwähnt, spielerisch als auch optisch durchaus Abwechslungen. Die Fahrten zu den Zielorten gestalten sich allerdings trotz der prächtigen, vom New York der 30er Jahre inspirierten Skyline Lost Heavens oft trist und langweilig. Hier hätte man sich ruhig mehr Gespräche zwischen Tommy und seinen Kollegen wünschen können.
Ein weiteres Manko der grundsätzlich freibefahrbaren Stadt ist deren allzu zu aufmerksame Polizei, die selbst die kleinste Tempoüberschreitung oder Rotsünde rigoros verfolgt. Zusätzlich scheinen die Gesetzhüter mit Scheuklappen ausgestattet, da sie rein auf Tommy achten: Da kann die heftigste Schießerei in den Straßen sein und kein Polizist in der Nähe zuckt auch nur mit der Wimper, sobald Tommy aber seine Waffe zieht, wird er sofort beschossen. Eine herbe Logik-Macke!
Hat man die sture Polizei dann hinter sich gelassen und kommt am Missionsort an, warten meist Instanzen auf Tommy, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Egal ob auf einem Luxusdampfer bei einer Geburtstagsparty, wo es gilt ein Ziel mit einer in der Toilette versteckten Pistole zu ermorden, im stillgelegten, von seltsamen Gestalten bevölkerten Stadtgefängnis oder im Edelbordell der Stadt: Die Schauplätze besitzen stets ihren eigenen Charme und steuern so einen Großteil zur herausragenden Atmosphäre bei. Wetter- und Tageszeiteneffekte werden zusätzlich genutzt um eine noch intensivere Stimmung zu erzeugen. Allerdings sind diese missionsabhängig, wodurch auch ein stundenlanges Warten am Hafen nicht für einen romantischen Sonnenuntergang sorgt. Zudem ist Lost Heaven außerhalb der Story-Missionen recht trist. Sprich: Bis auf einige optionale Nebenmissionen beim Freund und Autohändler Lucas Bertone, durch die Tommy an neue, bessere Schlitten kommt, gibt es keine optionalen Nebenmissionen a la "GTA" und die Haupthandlung wird stur abgespult. Spieler denen große Handlungsfreiheit wichtig ist und die gerne eine Stadt erkunden wird das weniger gefallen, alle anderen freuen sich aber darüber, dass die Handlung nicht ins stocken gerät und die Geschichte stets ihren Flow beibehält.
Einziger Schwachpunkt der Inszenierung ist die Grafik: Da kann man noch so viel Liebe in die Animationen, sowohl bei Gestik und bei Mimik hineininterpretieren und die Objekt-Phyisk noch so bemüht sein: "Mafia" kann in Sachen Grafik nicht an moderne Titel, wie etwa Mafia 2 heranreichen. Dies gilt auch für den Rest der Optik: 2002 sahen Spiele einfach noch anders aus. Deshalb sind die Modelle allgemein recht polygonarm und auch die Texturen sollte man lieber ohne Brille begutachten.
Doch dank der Detailverliebtheit der Entwickler und der auch ansonsten äußerst stimmigen Atmosphäre mag man das "Mafia" verzeihen und wird beim Spielen ohnehin so in das Spiel hinein gesaugt, dass man die an allen Ecken und Kanten veraltete Technick fast vergisst. Und einen Vorteil bringt das Ganze mit sich: Selbst ältere Rechner und Netbooks kommen mühelos mit "Mafia" zurecht.
Schon vor acht Jahren ungenügend und heute mehr als nur einen Baseballschläger auf die Haube wert ist die Balance. Vor allem an sinnvoll verteilten Speicherpunkten mangelt es "Mafia". So werden manche, trotz der spärlich über die Karte verteilten Medikits, Einsätze selbst für erfahrene Mafiosi zu wahren Geduldsspielen. Teilweise gehört eine ordentliche Portion Glück dazu, einen Auftrag ordnungsgemäß abschließen zu können, wodurch schnell viel Frust aufkommen kann. Was vielleicht eine angemessene Simulation des Gangsterlebens sein mag, entpuppt sich als größte Schwachstelle des Spiels.
Zumal man in einigen Einsätzen auch von seinen K.I.-Kameraden, die im Gegensatz zu den Cutscenes gar nicht schlau daherkommen und so auch gern mal ins gegnerische Sperrfeuer rennen oder unter Dauerbeschuss keine Deckung suchen, einfach im Stich gelassen wird. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn man nahe dem Ende eines Levels, nur aufgrund eines dummen "Freundes" ins Gras beißt und zum letzten, meist weit entfernten Speicherpunkt zurückgesetzt wird. Aber auch die Gegner gehören nicht unbedingt zu den schlausten Vertretern. Blindes Vorstürmen und keine Deckungssuche gehört auch hier eher zur Regel als zur Ausnahme.
Hören lassen kann sich dagegen der Sound des Spiels: Die Umgebungsgeräusche sind so plastisch, dass man bei regnerischen Sequenzen (ein gutes Soundsystem vorausgesetzt) schon mal das Gefühl bekommen kann ein Leck in der Zimmerdecke zu haben. Auch die deutschen Synchronsprecher brauchen sich durchweg nicht zu verstecken. Sie reißen zwar keine Bäume aus, wirken aber stets überzeugend und geben den Charkteren ihre eigene Note.
Manch einem mag vielleicht schon aufgefallen sein: "Mafia" spart nicht mit Anspielungen auf Klassiker des Genres, wie etwa den "Paten" oder "Goodfellas". Kontraproduktiv ist das sicherlich nicht und so wird "Mafia" zum Paten aller Gangsterspiele.
Fazit:
Man muss sich in Mafia einfach verlieben. Diese Charaktere sind so großartig, diese Dialoge so fantastisch und auch der Rest des Spiels scheint wie aus einem Guss. Zwar schaut des Spiel entsprechend alt aus und auch die Balance ist alles andere als optimal, doch wenn man das Spiel das erste Mal startet, durch Lost Heaven fliegt und zusieht wie Tommy zu Detective Norman geht, dann lässt einen das Spiel nicht mehr los – bis zu einem der großartigsten Enden der Spielegeschichte.
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